Die Beziehungen: Herzen berühren, bevor Hände helfen

Beziehungen

„Führungskräfte berühren ein Herz, bevor sie um eine Hand bitten.“ (John Maxwell)

Die Weisheit der Herzensbeziehung

Jesus selbst lebte dieses Prinzip in vollkommener Weise. Bevor er Menschen in die Nachfolge rief, schuf er Beziehung. Er saß mit Zöllnern und Sündern zu Tisch. Er begegnete der Samariterin am Brunnen und sprach über ihren Lebensdurst. Er berührte die Aussätzigen, die niemand berühren wollte. Jesus wusste: Zuerst kommt die Begegnung dann kann eine Bekehrung folgen. Zuerst kommt die Beziehung zu ihm und dann eine Beauftragung.

„Man kann Menschen nur zu Aktionen bewegen, wenn man zuerst einmal ihre Emotionen anspricht. Das Herz kommt vor dem Kopf.“ Diese Erkenntnis spiegelt genau das wider, was Jesus lehrte:

Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,21). Unsere Herzensbindungen bestimmen unser Handeln.

Beziehung entsteht im Miteinander

Eine wichtige Einsicht lautet: „Eine Beziehung zu Menschen baut man im Miteinander mit den Einzelnen auf, weniger durch das Sprechen zu Personen.“ In unserer medialen Welt kann leicht der Eindruck entstehen, wirkungsvolle Kommunikation sei vor allem eine Frage der richtigen Worte oder einer überzeugenden Präsentation. Doch echte Verbindung entsteht im persönlichen Miteinander.

Als Jesus die Fünftausend speiste, hätte er auch nur predigen können. Aber er teilte mit ihnen Brot und Fisch. Er sorgte für ihre leiblichen Bedürfnisse und schuf so eine Verbindung, die über Worte hinausging.

In unseren Gemeinden gilt dasselbe Prinzip: Ein gemeinsames Essen nach dem Gottesdienst, ein Besuch bei Kranken, ein Gespräch beim Gemeindefest – solche Begegnungen schaffen oft mehr Verbindung als die wohlformulierteste Predigt.

Der Einzelne zählt, auch in der Gruppe

„Auch in einer Gruppe ist es wichtig, die Menschen als Einzelne wahrzunehmen.“ Jesus tat genau das. Inmitten der Menschenmenge spürte er, wie ihn die blutflüssige Frau berührte. In der Schar seiner Jünger sah er die besonderen Bedürfnisse und Gaben jedes Einzelnen.

In unseren Gemeinden und Gruppen dürfen wir diese Weisheit nicht vergessen. Ob im Kirchenchor, in der Jugendgruppe oder im Pfarrgemeinderat – jeder Mensch möchte als Person mit eigener Geschichte, eigenen Gaben und Bedürfnissen wahrgenommen werden.

Die Initiative ergreifen

„Erfolgreiche Führungskräfte knüpfen von sich aus Beziehungen.“ Sie warten nicht, bis andere auf sie zukommen, sondern gehen selbst den ersten Schritt. In der Nachfolge Christi sind auch wir gerufen, Initiative zu ergreifen.

Jesus sagte nicht: „Wartet, ob Menschen zu euch kommen“, sondern: „Geht hin in alle Welt“ (Mk 16,15). Das ist ein aktiver Auftrag, der uns in Bewegung setzt – hin zu den Menschen mit ihren Freuden und Nöten, ihren Fragen und Zweifeln.

Für uns in der pastoralen Arbeit bedeutet dies: Wir dürfen nicht warten, bis Menschen von selbst in unsere Gottes­dienste kommen oder sich für Gemeindeangebote interessieren. Wir sind gerufen, auf sie zuzugehen, Brücken zu bauen, den ersten Schritt zu machen.

Die Früchte guter Beziehungen

„Wenn eine Führungspersönlichkeit ihre Aufgabe erfüllt und Beziehungen zu ihren Mitarbeitern hergestellt hat, kann man das an den gesamten Abläufen im Werk spüren.“ Wir erkennen dies auch in unseren Gemeinden: Wo echte Beziehungen wachsen, entsteht eine Atmosphäre der Freude und Offenheit. Die Gottesdienste werden lebendiger, die Mitarbeit engagierter, die Gemeinschaft tiefer.

Im ersten Korintherbrief beschreibt Paulus die Gemeinde als einen Leib mit vielen Gliedern. Dieser Leib kann nur dann gesund funktionieren, wenn alle Teile miteinander in Verbindung stehen und sich umeinander kümmern. „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26). Dies ist nur möglich, wo echte Beziehung herrscht.

Beziehungen

Mit dem Herzen führen

Leitung ist mehr als Planung und Organisation. Sie ist eine Herzens­angelegenheit.

Jesus führte nicht mit Druck oder Zwang, sondern durch liebevolle Zuwendung. „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“, lautete seine Einladung (Mt 11,28). Er bot Beziehung an, bevor er Nachfolge forderte.

Der Weg zu echter Verbindung

Wie bauen wir nun echte Verbindungen zu Menschen auf? Maxwell gibt uns drei Schritte an die Hand:

  1. Menschen wertschätzen – Jeder Mensch ist ein einzigartiges Geschöpf Gottes, geliebt und gewollt. Diese Grundhaltung der Wertschätzung ist die Basis jeder christlichen Beziehung.
  • Etwas über sie erfahren – Echtes Interesse am anderen zeigen, zuhören, Fragen stellen, sich Zeit nehmen. Jesus tat dies immer wieder: „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ (Mk 10,51).
  • Sich an sie anpassen – „Erwarten Sie nicht, dass die Menschen sich ändern, um Ihnen zu folgen. Sie müssen sich selbst ändern, um sie einzuladen.“ Diese Einsicht erinnert uns an die Menschwerdung Gottes – Gott passte sich an uns an, um uns zu erreichen.

Paulus – ein Meister der Verbindung

Der Apostel Paulus verstand das Prinzip der Verbindung meisterhaft.

„Den Juden bin ich wie ein Jude geworden… Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer, der unter dem Gesetz ist… Den Schwachen bin ich schwach geworden… Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.“ (1. Kor 9,20-22)

Paulus passte sich den Menschen an, nicht um ihnen zu gefallen, sondern um sie dort abzuholen, wo sie standen. Er schuf Verbindung, bevor er die Botschaft teilte. Er berührte Herzen, bevor er Hände zum Dienst rief.

Unser Auftrag heute

In einer Zeit zunehmender Entfremdung und Vereinzelung ist das Prinzip der Verbindung wichtiger denn je. Menschen sehnen sich nach echten Beziehungen, nach Angenommen­sein, nach einem Ort, wo sie hingehören.

Als christliche Gemeinschaft sind wir berufen, solche Verbindungen zu schaffen – nicht nur innerhalb unserer Gemeinden, sondern auch zu denen, die am Rand stehen oder fernab der Kirche leben.

Jeder kleine Schritt zählt: Ein aufrichtiges Gespräch nach dem Gottesdienst, ein Anruf bei jemandem, der lange nicht mehr da war, ein offenes Ohr für die Sorgen eines Jugendlichen, ein gemeinsames Gebet mit einer trauernden Familie.

Ein Schlussgedanke

Bevor wir Menschen um Mitarbeit bitten, bevor wir sie für unsere Vorhaben gewinnen wollen, bevor wir sie in unsere Strukturen einbinden – lasst uns ihre Herzen berühren. Lasst uns echte Beziehungen aufbauen, die von Wertschätzung, Interesse und Liebe geprägt sind.

Denn letztlich ist das Prinzip der Verbindung nichts anderes als die Umsetzung des Doppelgebots der Liebe: Gott zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst. In dieser Liebe schwingt das Herz des Evangeliums.

P. Oliver Heck, inspiriert von John C. Maxwell

Überblick über bisher erschienen Artikel in der Reihe christliche Führung.

Bildquelle des Beitragbildes: Foto von cottonbro studio auf pexels